Unsere Ernährung, insbesondere der zu hohe Konsum von tierischen Produkten, ist nicht nur ungesund, sondern die Produktion dieser Lebensmittel hat auch einen grossen Einfluss auf den Klimawandel und das Artensterben. Änderungen bei der Lebensmittelproduktion sind aber nur im Gleichschritt mit Änderungen beim Konsum sinnvoll, da sonst einfach auf importierte Lebensmittel ausgewichen und das ökologische Problem ins Ausland verlagert wird. Die Klimaziele in der Agrar- und Ernährungspolitik können folglich nicht ohne Anpassungen im Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten erreicht werden. Der Bundesrat ist sich dessen bewusst und schätzt im Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik den Handlungsbedarf im Bereich Konsum dementsprechend gross ein. Da sich in der kürzlich beschlossenen Agrarpolitik AP22+ keine konsumseitigen Massnahmen finden, stellt der Bundesrat diese für die nächste agrar- und ernährungspolitische Etappe in Aussicht. Um einen nachhaltigen und gesunden Konsum zu begünstigen, sollen die Wahl nachhaltiger Produkte vereinfacht und gesunde Ernährungsmuster unterstützt werden. Dafür müssen Informationen über soziale und umweltbezogene Wirkungen sowie gesundheitliche Aspekte der Lebensmittel einfach und verständlich aufbereitet und den Konsumentinnen und Konsumenten zugänglich gemacht werden. So sollen sie beim Treffen von informierten Kaufentscheiden unterstützt werden. Wie diese vom Bundesrat angedachte Information und Sensibilisierung der Bevölkerung aber konkret gestaltet und umgesetzt werden soll, ist unklar. Die Antwort des Bundesrates ist vage und die wenigen angesprochenen Massnahmen sind nicht vielversprechend.

Gegenwärtige Absatzförderung als Fehlanreiz

Eines der wenigen agrarpolitischen Instrumente die beim Konsum ansetzen, ist die landwirtschaftliche Absatzförderung. Deren Kampagnen haben eine hohe Präsenz und geniessen durch ihre Nähe zu den Branchen bei den Konsumentinnen und Konsumenten grosse Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig steht die Absatzförderung, insbesondere jene für Fleisch, immer wieder in der Kritik, weil es sich um eine klima- und biodiversitätsschädigende Subvention handelt. Zudem wurden die Kampagnen von Proviande schon wiederholt von der Lauterkeitskommission gerügt, da sie die Konsumentinnen und Konsumenten mit Beschönigungen zur Tierhaltung in die Irre führen. Dass es mit der Absatzförderung für Fleisch so nicht weitergehen kann, hat auch der Bundesrat verstanden und er plant deshalb, die Fehlanreize bei der Absatzförderung aufzuheben.

Absatzförderung neu denken

Bei aller berechtigter Kritik an den Kampagnen von Proviande wäre es nun aber schade, mit der Absatzförderung eines der wenigen konsumseitigen Instrumente der Agrar- und Ernährungspolitik leichtfertig aus der Hand zu geben. Denn schliesslich handelt es sich dabei um Informations- und Sensibilisierungskampagnen zur Ernährung, die von den Branchenverbänden gemacht und vom Bund zur Hälfte finanziert werden. Ohne diese Unterstützung durch die öffentliche Hand wären diese Kampagnen nicht denkbar und es wäre nun am Bund, die Vorgaben für eine Weiterführung der Absatzförderung endlich seinen klimapolitischen Zielen für die Land- und Ernährungswirtschaft anzupassen.

Für das nächste Umsetzungsprogramm der Absatzförderung ist deshalb zu prüfen, ob und wie die Konsumentinnen und Konsumenten im Rahmen der Absatzförderung auch über die gesundheitlichen, sozialen und umweltbezogenen Aspekte der Ernährung informiert werden können, ohne dabei das ursprüngliche Ziel der Absatzförderung – die Erhöhung der Konsumpräferenzen für Schweizer Produkte – zu unterlaufen. Das neue Motto wäre dann: «Weniger Fleisch – aber wenn, dann aus der Schweiz». Durch diese Verknüpfung der landwirtschaftlichen Absatzförderung mit den Klimazielen der Agrar- und Ernährungspolitik könnten nicht nur bestehende Fehlanreize bei der Absatzförderung vermindert und die Kohärenz zwischen der Agrarpolitik und der Ernährungsstrategie verbessert werden. Der Bund hätte auch die in seinem Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik angedachte Informations- und Sensibilisierungskampagne für eine nachhaltige und gesunde Ernährung. Und diese läge sogar innerhalb des bestehenden Budgets – alleine an die Kampagnen von Proviande steuert der Bund jährlich sechs Millionen bei.

Die in die gegenwärtige Absatzförderung involvierten Branchenorganisationen wie Proviande wären von dieser Neuausrichtung ihrer Kampagnen sicher nicht begeistert. Sie würden die neuen Vorgaben aber umsetzen und dabei auch aufpassen, nicht wieder vor die Lauterkeitskommission zitiert zu werden. Denn die langfristige Alternative wäre die ersatzlose Einstellung der Bundesbeiträge für die Absatzförderung für landwirtschaftliche Produkte. Und mit den frei werdenden finanziellen Mitteln – jährlich 64 Millionen für die gesamte Absatzförderung – lässt sich eine bundeseigene Kampagne finanzieren.

7. September 2023