Die Botschaft des Bundesrates zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) ist ein grosser Schritt in die richtige Richtung. Vor allem die zahlreichen Massnahmen zur Verbesserung von Ökologie und Nachhaltigkeit in der landwirtschaftlichen Produktion sind dringend nötig. Dennoch gibt es in der AP22+ auch Elemente, die durchaus kritisch zu betrachten sind. So plant der Bundesrat, eine staatlich mitfinanzierte Ernteversicherung einzuführen, um den zunehmenden Wetterextremen zu begegnen, die die Klimakrise mit sich bringt.

Nur geringer Bedarf in der Schweizer Landwirtschaft

Das Konzept der staatlich mitfinanzierten Ernteversicherungen stammt aus einer hoch industrialisierten Landwirtschaft mit grossen Monokulturen, wie sie beispielsweise die USA kennen. Dort spielen Direktzahlungen eine untergeordnete Rolle, dafür sind Instrumente der Risikoabsicherung zentral, wobei staatlich subventionierte Ernteversicherungen das Kernstück bilden. Demgegenüber profitieren die Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz von hohen und differenzierten Grenzschutzmassnahmen und Direktzahlungen. Zudem sind sie in der Produktion auch viel breiter aufgestellt: Sie bauen verschiedene Kulturpflanzen an, verfügen meistens auch über tierische Produktion und haben zudem häufig noch ausserlandwirtschaftliche Einkommensquellen. Aufgrund der Direktzahlungen, des Zollschutzes und ihrer betrieblichen Diversifizierung können Schweizer Betriebe die durch Wetterextreme wie Dürren oder Frost verursachten Ausfälle besser verkraften und sind weniger auf Versicherungslösungen angewiesen.

Ernteversicherungen schwächen die Versorgungssicherheit

Staatlich subventionierte Ernteversicherungen sind für die Schweizer Landwirtschaft nicht nur unnötig, sie bringen auch unerwünschte Nebeneffekte mit sich. So wird insbesondere die Versorgungssicherheit geschwächt, weil Versicherungslösungen der Landwirtschaft keine Anreize liefern, ihre Resilienz gegenüber Ernterisiken und Klimakrise zu erhöhen, beispielsweise durch die Wahl von trockenheitsresistenten Sorten. Versicherungen fördern vielmehr die Risikobereitschaft der Produzenten: Da diese bei einem Misserfolg abgesichert sind und keine Einbussen zu befürchten haben, würden vermehrt Kulturen an ungeeigneten Standorten angepflanzt, etwa Mais an Stellen, wo die trockenheitsresistentere Hirse eigentlich zuverlässigere Erträge liefern würde. Und trotz Versicherungsschutz für die Produzenten müssten bei einem Ernteausfall die verlorenen Nahrungsmittel importiert werden. Zudem begünstigen Ernteversicherungen eine Intensivierung der Produktion, da sie besonders interessant sind für Bäuerinnen und Bauern, die auf einen grossflächigen Anbau von wenigen Kulturen setzen. Zumeist geht diese Landwirtschaft mit einem erhöhten Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern einher.

Vielfältige Landwirtschaft ist die beste Versicherung

Der Bundesrat sieht vor, für die Subventionierung der Versicherungsprämien keine zusätzlichen Mittel zu sprechen, sondern bestehende Direktzahlungen umzuverteilen. Das heisst, dass Gelder, die eigentlich den landwirtschaftlichen Betrieben zugutekommen sollten, einfach an die Versicherungsgesellschaften umverteilt würden. Und es ist zu befürchten, dass diese Gelder dann für Massnahmen zur Förderung der Biodiversität und des Klimaschutzes fehlen werden.

Durch die Einführung von subventionierten Ernteversicherungen würde nur ein weiterer Fehlanreiz im landwirtschaftlichen Subventionsdschungel geschaffen. Denn die nach wie vor beste Versicherung, um Wetterextremen zu begegnen und unsere Versorgung zu stärken, ist eine vielfältige Landwirtschaft. Eine staatlich subventionierte Ernteversicherung bringt nicht mehr Lebensmittel auf den Tisch. Im Gegenteil: Sie hemmt die Landwirtschaft dabei, ihre Resilienz gegenüber der Klimaveränderung, zum Beispiel mit trockenheitsresistenteren Sorten, Kulturen und Anbaumethoden, zu erhöhen. Die einzigen Gewinner wären die Anbieter von Ernteversicherungslösungen. Diese erwarten ein grosses Geschäft mit Bundesgeldern, die eigentlich der Landwirtschaft zugutekommen sollten.