Am 25. September stimmen wir über die Initiative gegen Massentierhaltung ab. Diese will die Tierwürde in der Verfassung verankern und fordert für alle Tiere eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, regelmässigen Auslauf ins Freie sowie maximale Gruppengrössen je Stall und eine schonende Schlachtung. Zwar kennt die Schweiz tatsächlich schon zahlreiche Tierschutzbestimmungen. Doch das kann kein Grund sein, die Bedingungen in der Tierhaltung nicht weiter zu verbessern. Die Ansprüche ans Tierwohl sind gestiegen und auch in unseren Nachbarländern wird der Tierschutz weiter ausgebaut. Wenn die Schweizer Landwirtschaft ihr Alleinstellungsmerkmal nicht verlieren will, muss auch sie sich weiterentwickeln und darf nicht stehen bleiben.

 

Die Initiative ist umsetzbar

Von der Initiative sind in erster Linie Grossbetriebe betroffen. Die Übergangsfrist von 25 Jahren gibt diesen fast eine Generation Zeit für die Umstellung und gewährt somit die Investitionssicherheit. Schliesslich enthält die Initiative eine Import-Klausel: Um ein Ausweichen der KonsumentInnen auf billiges Importfleisch zu verhindern, müssen auch importierte tierische Produkte strenge Tierwohlkriterien erfüllen. Dass solche Importklauseln gegen internationales Handelsrecht verstossen, wird zwar immer wieder behauptet. Doch die Initiative fordert kein Importverbot und die WTO-Regeln ermöglichen auch Ausnahmen. So ist eine WTO-konforme Umsetzung der Import-Klausel im Rahmen der Zollkontingente sehr wohl möglich.

 

Kompromisslose Haltung der Agrarkonzernlobby

Auch der Bundesrat hat erkannt, dass in Sachen Tierwohl Handlungsbedarf besteht. Er wollte die Initiative deshalb mit einem direkten Gegenvorschlag an die Urne bringen, welcher wichtige Punkte der Initiative übernommen und das Tierwohl einen grossen Schritt weitergebracht hätte. Doch davon will der Schweizer Bauernverband nichts wissen. Seit Jahren agiert er als Marionette der Agrarkonzerne und sträubt sich mit aller Macht gegen jeden ökologischen und tierrechtlichen Fortschritt. So wurde im Parlament sowohl der Kompromissvorschlag des Bundesrates als auch der vom Schweizerischen Tierschutz, der Kleinbauern-Vereinigung und der Gesellschaft der Schweizer TierärztInnen eingebrachte indirekte Gegenvorschlag verhindert. Wie letztes Jahr die beiden Agrarinitiativen wird nun auch die Initiative gegen Massentierhaltung ohne Kompromissvorschlag an die Urne kommen, wo sie mit viel Getöse versenkt werden soll.

 

Progressive Bäuerinnen und Bauern finden kein Gehör

Der Bauernverband fährt im Abstimmungskampf wieder die grossen Geschütze auf und schreckt auch nicht vor einem Kuhhandel mit Economiesuisse zurück. Zur Sicherung ihrer Gewinne aus dem Futtermittel-, Pestizid-, und Düngerhandel spannt die Agrarkonzernlobby die Bauern vor den Karren der Grosskonzerne, wo sie für deren Steuersenkungen und gegen die eigenen Interessen kämpfen. Der Abstimmungskampf selber wird vom Bauernverband wieder zur Entscheidungsschlacht um die Weiterexistenz der Schweizer Landwirtschaft hochstilisiert. Dabei gibt er sich wie immer als Sprachrohr eines geschlossenen «Bauernstandes» und verschweigt, dass zahlreiche Stimmen aus der Landwirtschaft die Initiative unterstützen: Wie schon bei der Pestizid-Initiative haben Bio Suisse, die Schweizer Bergheimat, Demeter und die Kleinbauern-Vereinigung die Ja-Parole zur Initiative gegen Massentierhaltung beschlossen.

 

Es braucht noch weitergehende Massnahmen

Wir progressiven Bäuerinnen und Bauern fühlen uns vom Bauernverband einmal mehr vor den Kopf gestossen. Mit seiner kompromisslosen und rückwärtsgewandten Politik droht er das Vertrauen der KonsumentInnen in die Schweizer Landwirtschaft langfristig zu verspielen und gefährdet ihren nach wie vor grossen Rückhalt in der Bevölkerung. Denn die drohende Klimakatastrophe und der Biodiversitätsverlust erfordern entschlossenes Handeln und das wird zunehmend auch von der Landwirtschaft erwartet. Um den gegenwärtigen Problemen zu begegnen, müssen sogar noch weitergehende Massnahmen ergriffen werden, als von der Initiative gefordert. So gehören die klima- und biodiversitätsschädigenden Subventionen in unserem Ernährungssystem endlich abgeschafft und der Fleischkonsum darf nicht mehr staatlich angeheizt werden. Die Initiative gegen Massentierhaltung ist – wieder einmal – eine Chance, diese dringend nötigen Veränderungen in der Schweizer Landwirtschaft anzustossen. Darum stimmen wir progressiven Bäuerinnen und Bauern am 25. September JA zur Initiative gegen Massentierhaltung.

(Veröffentlicht auf Nau.ch am 1. September 2022)