Die SVP fordert angesichts des Krieges in der Ukraine mit einem Plan Wahlen 2.0 die landwirtschaftliche Produktion zu steigern, um den Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Nahrungsmitteln zu erhöhen. Das ist ein Schildbürgerstreich, der die Auslandabhängigkeit der Schweiz durch vermehrte Importe von Futtermitteln, Kunstdünger und Pestiziden erhöhen würde, ohne dass eine signifikante Steigerung der Erträge zu erwarten wäre.

 

Die Schweiz war schon immer auf den Import von Nahrungsmitteln angewiesen. Einem Ausbau der landwirtschaftlichen Produktion sind auf unseren beschränkten Flächen enge Grenzen gesetzt. Nun auch ökologische Ausgleichsflächen unter den Pflug zu nehmen, hätte nur einen minimalen Effekt auf die landwirtschaftliche Produktion. Diese Flächen machen gegenwärtig 1,2 Prozent der Ackerfläche aus, mit dem Absenkpfad Pestizide ist ein Ausbau auf 3,5 Prozent vorgesehen. Das grosse Potenzial liegt dagegen bei den rund 43 Prozent Ackerflächen, die gegenwärtig für den Anbau von Tierfutter verwendet werden. Eine Reduzierung des Fleischkonsums und eine vermehrt pflanzliche Produktion für die menschliche Ernährung würden den Selbstversorgungsgrad der Schweiz markant erhöhen. Diesem Umstand war sich schon Friedrich Traugott Wahlen bewusst: Ein zentrales Element seines Plans war die Förderung des Ackerbaus für die menschliche Ernährung, weshalb die Umsetzung des Plan Wahlen auf erbitterten Widerstand der Viehhalter stiess. Es stellt sich die Frage, ob sich die SVP dieser unbequemen Tatsache bewusst ist, oder ob diese bewusst verdrängt wird.

 

Der Ruf der SVP nach einer neuen Anbauschlacht ist also in erster Linie politisches Getöse. Es ist der opportunistische Versuch, unter dem Vorwand des Krieges in der Ukraine eine überkommene Agrarpolitik fortzuschreiben. Und das wider besseres Wissen, denn die negativen Folgen einer weiteren Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion sind weithin bekannt. Unsere natürlichen Ressourcen werden jetzt schon übernutzt und um die Biodiversität steht es immer schlechter. Noch mehr Kunstdünger, Pestizide und Nährstoffe würden unsere Böden, Gewässer und Ökosysteme nachhaltig und stark schädigen und so unsere Versorgungssicherheit langfristig gefährden.

 

Die SVP zeigt mit dieser Forderung aber auch, wie geschichtsvergessen sie immer wieder argumentiert. Der Plan Wahlen war ein nationaler Kraftakt, der den Selbstversorgungsgrad der Schweiz trotzdem nur marginal von 52 auf 59 Prozent zu erhöhen vermochte. Die Auslandabhängigkeit der Schweiz blieb also grösstenteils bestehen und zwar nicht nur bei den Nahrungsmitteln: die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion während der Anbauschlacht war nur möglich durch den grosszügigen Import von Kunstdünger aus Nazideutschland. Die Erhöhung des Selbstversorgungsgrades um 7 Prozent hatte zudem einen hohen Preis: Durch die kriegsbedingte Rationierung der Lebensmittel sank die tägliche Kalorienzufuhr pro Person durchschnittlich um fast ein Drittel von 3200 auf 2200 kcal. Es mussten also alle den Gürtel enger schnallen, was natürlich massgeblich zur Erhöhung des Selbstversorgungsgrades beitrug.

 

Das Ziel einer verminderten Auslandabhängigkeit wurde mit dem Plan Wahlen grösstenteils verfehlt und von der Selbstversorgung blieb die Schweiz weit entfernt. Erfolgreich war die Anbauschlacht einzig als Element der Propaganda in der Geistigen Landesverteidigung: Sie förderte nachhaltig die gesellschaftliche Integration und wurde zum Symbol für die Volksgemeinschaft, den Widerstandswillen und die Selbstbehauptung der Schweiz. Genau gleich verhält es sich mit der Forderung der SVP nach einem Plan Wahlen 2.0: Sie ist nur populistische Symbolpolitik, die an der Versorgungslage der Schweiz nichts ändern wird.